Bikepacking im Oman: von Muscat über die Berge nach Nizwa

Oman, Arabien! Ein neues Land, eine mir noch unbekannte Kultur und gleich zu Beginn sprichwörtlich harte Nächte. Steile und staubige Rampen in den Bergen und viel Hilfsbereitschaft und wunderbare Menschen!

 

Meine Reise beginnt in Muscat, der Hauptstadt des Oman. Wobei, eigentlich beginnt sie in der Schweiz, denn ich wollte im März 22 in den Norden nach Schwedisch Lappland und mit Ski, Schlitten und Zelt über dem Polarkreis allein durch den Sarek Nationalpark ziehen. Irgendwie habe ich im Februar aber immer mehr gemerkt, dass ich keine Lust auf Kälte und Frieren hatte….

Vor ein paar Jahren auf dem Weg nach Asien bin ich in Muscat umgestiegen. Der Flug kam am Morgen früh an, die Sonne war gerade aufgegangen. Dieses goldene, samtweiche Licht, welches durch die grossen Fenster ins Flughafenterminal floss, hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Da wusste ich, das nächste Mal steige ich hier aus und nicht nur um. Es sollte aber noch ein paar Jahre dauern…

Keine Lust auf Kälte, im Hinterkopf immer noch dieses Licht im Oman und die Möglichkeit kurzfristig den Plan zu ändern führen dazu, dass ich Anfang März 22 mein gut verpacktes Fahrrad am Schalter von Turkish Airlines aufgebe und via Istanbul nach Muscat fliege. Ich komme um Mitternacht an und der bestellte Transport ins Hotel taucht schon mal nicht auf. Was solls, ich weiss, wo das gebuchte Hotel ist und Taxis gibt es auch genügend. Zusammen mit Google Maps finden der Taxifahrer und ich ans Ziel und ich kurze Zeit später müde ins Bett.

 

Am nächsten Morgen gehe ich mit der Kamera «streunen» und tauche in eine für mich bisher unbekannte Welt ein. Selbst die Schrift ist exotisch und ich verstehe nichts! Zum Glück wird fast alles auch noch auf Englisch angeschrieben, was es uns Besuchern so viel einfacher macht!

Im Verlauf des Tages schraube ich mein Velo zusammen, fülle die Benzinflasche für den Kocher und gehe im Supermarkt einkaufen. Riegel, Fertignudeln und Büchsenthunfisch (I know! Aber die sind schnell gemacht und problemlos zu transportieren), Datteln(!) und sonst noch ein paar Sachen. Bald ist der Tag um, die Taschen gepackt und der Abendspaziergang bestätigt mir, dass es richtig war hierher zu kommen: Das Licht ist einfach traumhaft.

 

Velofahrer habe ich am ersten Tag keine gesehen und die Omani nehmen mich auch nicht wirklich als Verkehrsteilnehmer war. Die Fahrt aus der Stadt raus ist nicht immer angenehm, aber es geht schon irgendwie. Als Muscat endlich hinter mir liegt, mache ich in einem Vorort eine kurze Pause und stelle das Velo an einer verfallenen Mauer ab; die «Getränkerückgabe» ruft. Als ich zurückkomme, hält direkt neben mir ein grosser, schwarzer SUV mit rundum getönten Scheiben. Mein Herzschlag erhöht sich, ich frage mich, ob ich etwas falsch gemacht habe und ob es gleich Ärger gibt? Im Gegenteil! Es sind Sohn (Mitte Fünfzig geschätzt) und Vater, die einfach neugierig sind und wissen wollen, woher ich komme, wohin ich fahre («alles mit dem Fahrrad!!???») und ob ich hier als Velofahrer Probleme hätte und wie es mir gehen würde? Wir plaudern kurz und zum Abschied bekomme ich mit einem Lachen eine Rolle Shawarma von ihrem Mittagessen geschenkt mit der Bemerkung “Welcome to Oman”. Als sie wieder davonbrausen, stehe ich leicht überrumpelt, aber mit einem Grinsen im Gesicht da.

Es wird nicht die letzte solch wunderbare Begegnung sein, denn die Omani sind unaufdringlich neugierig, grosszügig und herzlich. Ich hatte beim Vorbereiten der Reise davon gelesen, aber es selbst zu erleben ist noch einmal etwas ganz anderes! Ich war so überrascht, dass ich nicht einmal ein Foto von der Begegnung habe. Aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig. Sie ist in meinem Herzen gespeichert und geht somit auch nicht verloren.

Im Oman ist wildes Campieren erlaubt und Zeltplätze wie bei uns gibt es keine. Müde und staubig entscheide ich mich am Abend für einen Platz nahe der Route, aber doch etwas abseits. Ich befördere die gröberen Steine und Äste vom Boden weg, stelle das Zelt auf und richte mich ein. Als ich nach einiger Zeit etwas aus dem Zelt hole, merke ich, dass die Matte nicht mehr so gut gepumpt ist. Komisch?! Ich hatte sie doch voll aufgeblasen? Naja, kann mich auch täuschen und so blase ich sie halt noch einmal voll auf. Eine Stunde später das gleiche Bild… Müde wie ich war, hatte ich nicht gemerkt, wie dornig die Pflanzen sind, und den Boden zu wenig gut gesäubert. Ich habe mir gleich am ersten Abend ein Loch in der Matte geholt! So ein Sch… aber auch!!! Es war so klein, dass ich es ohne Wasserbecken nicht finden konnte und so bin ich dann die nächsten zwei Nächte alle Stunde bis 90 Minuten aufgewacht. Jedes Mal die Matte wieder aufzupumpen, versuchen einzuschlafen, nur um gefühlt gleich schon wieder halbwach auf dem Boden zu liegen. Dumm gelaufen und gelernt, dass das Material im Oman anderen Herausforderungen standhalten muss als im kalten Norden. Dort ist es feucht und kalt, dafür nicht dornig.

 

Am zweiten Tag auf dem Velo geht es ab in die Berge. Die Strasse windet sich durch tiefe Schluchten und schon bald endet der asphaltierte Bereich. Gravel!! Geil!!! Davon hatte ich geträumt und dafür bin ich hergekommen! Die Bergketten stapeln sich hintereinander und verlieren sich im immer heller werdenden blaugrau. Und, sie werden immer höher! Die Kette ganz hinten am Horizont werde ich am nächsten Tag überqueren müssen und sie wird mich noch ganz schön fordern. Vorerst aber geniesse ich die Gravelpiste und pedale langsam tiefer in die Berge hinein.

Ich weiss, dass weiter hinten im Tal noch einmal eine Moschee kommen wird, bei der ich Wasser holen kann für die Nacht. Moscheen im Oman bieten immer die Möglichkeit, für frisches und sauberes Trinkwasser und werden damit auf meiner Reise ein wichtiger Teil werden. Ich werde zum Profi, die silbergrauen Kästen schon von weitem zu erkennen und bin dankbar für dieses grosszügige Angebot. Bei teilweise gut über 30°C trinke ich pro Tag locker 5 bis 6 Liter Wasser und kann gar nicht so viel aufs Mal mit dem Velo mitnehmen. Ich kaufe zwar unterwegs in kleinen Läden entlang der Strecke immer wieder Wasser und Softdrinks aber manchmal sind sie einfach zu weit auseinander und ich bin froh über die silbernen Kästen!

Gerade als ich fertig bin mit Flaschen füllen und weiterfahren will, ist das Nachmittagsgebet zu Ende. Ali, der Imam (ganz links) kommt aus der Moschee heraus und spricht mich freundlich an. Wir kommen ins Gespräch und er fragt, ob ich es eilig habe oder Zeit hätte? Natürlich habe ich Zeit und er lädt mich zu frischen Früchten, Kaffee und Datteln auf dem Teppich vor der Moschee ein. Erneut bin ich überwältigt ab so viel Gastfreundlichkeit und wir plaudern und tauschen uns aus. Ali zeigt mir dabei auch, wie ich mit dem Kaffeebecher wackeln muss, so dass er bzw. der Gastgeber weiss, wann ich genug habe. Nonverbarle Kommunikation! Kurz nach mir kommen noch einmal Besucher zum Beten vorbei, welche auch bewirtet werden und ich frage, ob ich sie fotografieren darf. Bevor ich mich wieder in den Sattel schwinge, erhalte ich noch Tipps für einen guten Campingspot für die Nacht weiter oben in den Bergen und eine grosszügige Portion Datteln zum Mitnehmen. Ich könne diese unterwegs sicher gut gebrauchen. Gerne nehme ich dieses Geschenk an und fahre glücklich weiter die Berge hoch. Die Sonne steht nun schon tief und scheint schräg durch die Schluchten, das Licht und die Stimmung sind atemberaubend und genau deshalb wollte ich hierher! Dass die Menschen so grosszügig und wunderbar sind, macht die Reise nur noch viel schöner!

 

Der empfohlene Campingspot erweist sich als perfekt, ist ruhig und von Blicken etwas geschützt gelegen. Die zweite Nacht wird zwar wegen der verlöcherten Matte wieder zum Intervallschlafen verkommen, aber der nächste Morgen kommt ja immer, egal wie die Nacht war. Früh mache ich mich dann auch auf, denn es warten einige Höhenmeter und eine steile Strasse auf mich. Ich habe gesehen, dass es auf der anderen Seite der Berge einen Campingshop geben soll. Vielleicht können die mir ja mit der Matte helfen!

Beim Hochkämpfen auf der Staubpiste halten immer wieder 4x4 Jeeps an und die Menschen fragen mich, ob ich genügend Wasser hätte oder sonst etwas brauchen würde? Die meisten bewundern meinen Mut, hier hoch zu fahren. Das gefällt mir natürlich… Ich weiss aber auch, dass der Grat zwischen Mut und Wahnsinn oft nur sehr schmal ist und frage mich immer wieder, auf welcher Seite ich mich wohl befinde?! Aber zu wissen, dass ich bei einer Panne nicht allein wäre und relativ schnell Hilfe bekommen würde, tut gut und gibt Sicherheit. Leider werden damit die bis zu 22% steilen Rampen nicht flacher und die Untersetzung der Schaltung sowie meine Beine kapitulieren immer wieder. So schiebe ich mein Rad teilweise mehr als dass ich fahre - es ist einfach zu steil.

Irgendwann bin ich aber oben, die Aussicht ist schon unterwegs grandios und vom Pass aus geht es auf geteerter Strasse lange und mit viel Schwung bergab Richtung Campingshop. Bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt, aber in diesem Fall stirbt sie! Solche aufblasbaren Matten kennen sie im Shop nicht und können mir auch nicht weiterhelfen. Frustriert sitze ich vor dem Geschäft auf den Stufen und beschliesse, auf der anderen Seite der Strasse im Coffeeshop etwas essen zu gehen. Mit vollem Bauch denkt es sich einfacher und ich werde sicher eine Lösung finden.

Müde und nach zwei schlechten Nächten und dem steilen Berpgass auf über 2000 MüM und auch etwas frustriert über den Misserfolg im Campingshop entscheide ich mich nach einem Chicken Sandwich weitere 30 Km anzuhängen und noch am gleichen Tag nach Nizwa zu fahren. Ich finde über das Internet ein kleines Hotel mit Frühstück am Rand der Altstadt und hoffe, dass ich meine Matte flicken kann. Schlafentzug ist nicht wirklich mein Ding und ich bin schliesslich zum Geniessen unterwegs und nicht zum Kämpfen. Das Hotel ist ein Volltreffer und ich falle am Abend wie ein Stein ins Bett und schlafe tief und fest.